Review: Divinity: Original Sin – Back to the Roots

17.08.2014 13:46

imageDivinity: Original Sin ist eine willkommene Erinnerung an eine Art von Spiel, die in den Neunzigern nichts Besonderes war. Das RPG der Larian Studios wurde durch Kickstarter finanziert und zeigt 15 Jahre nach dem Zenit solcher Rollenspiele, wieso es schade ist, dass es diese nur noch selten gibt. Im folgenden Test klären wir, ob Divinity: Original Sin mit seiner freien Spielwelt, Rundenkämpfen und alten Genretugenden punkten kann.   

Das belgische Entwickler Studio Larian Studios konnte über Crowdfunding über eine Million US-Dollar von Fans der Reihe einsammeln. Geld, das sich definitiv gelohnt hat. Vor dem Release hatte Divinity: Original Sin bereits eine sechsmonatige Early Access-Kampagne hinter sich.

„Betthüpferle“

 Dass die Angebetete von Ratsmitglied Jake nicht die treueste Seele ist, weiß ganz Cyseal. In der idyllischen Hafenstadt wirft sich die Dame gern mehreren Männern an den Hals. Und wer Männer kennt, kann sich auch vorstellen dass das ganze Drama irgendwann eskaliert. So geschehen, findet sich eines Morgens ein totes Ratsmitglied in einer Kneipe. Ob, wie und von wem Jake umgebracht wurde, weiß natürlich niemand. Und da kommen wir ins Spiel. Ein Quellmagier wird auf den Mordfall angesetzt.

Früher war ja alles besser

So beginnt unsere erste Quest in der Welt von Divinity: Original Sin. Wir befinden uns in der Hafenstadt Cyseal, in der natürlich und genre-spezifisch mehr zu tun ist, als einen simplen Mord aufzudecken. Sehr schnell erfahren wir von anderen Gefahren, die sich vor der Stadt tummeln. So ist von Orks und Untoten die Rede. Standardisierter Fantasy-Mumpitz also. Tatsächlich braucht die Story ein wenig Vorlaufzeit um in Fahrt zu kommen, schafft es aber leider nie, uns komplett mitzureißen.

Jedoch wartet die Geschichte durchaus mit interessanten Ideen auf. So erfahren wir bei der Untersuchung des Mordfalls durch einen Kobold, dass wir auf irgendeine Art mit dem kompletten Universum verbunden sind. Dieses besagte Universum steht angeblich kurz vor seinem Ende, was dann auch direkte Auswirkungen auf unser Schicksal hätte. Und an diesem Punkt entlässt das Spiel einen in die freie Spielwelt. Von nun an ist es uns überlassen, wohin wir gehen, mit wem wir reden und was wir als nächstes tun. Eine Freiheit, die uns aus Rollenspielen wie Skyrim bekannt vorkommt.

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Doch wo Skyrim mit der schieren Größe der Spielwelt punktet, geht Divinity etwas andere Wege. Mit nahezu allen Objekten in der Spielwelt kann interagiert werden. Fast auf jedem programmierten Quadratmeter gibt es etwas, womit der Spieler aktiv interagieren kann. Von Kerzen, die sich ausblasen lassen, bis hin zu Schaltern, die versteckte Türen öffnen.  Und Divinity lässt uns alles frei erkunden, ohne uns an die Hand zu nehmen. Das Quest-System ist kein stures Abarbeiten der Aufgaben und dem Folgen von Pfeilen. Viel mehr ist es ein Sack voller Indizien, die der Spieler selbständig kombinieren muss. Das Tagebuch birgt zwar Hinweise auf den Tod von Ratsmitglied Jake. Dass man den Burschen aber auch ausgraben kann, finden wir ganz allein heraus. Und wo krieg ich dafür gleich die Schaufel her? Die Larian Studios setzen anscheinend eine gewisse Mindest-Intelligenz beim Spieler voraus. Toll!

Allerdings birgt diese Freiheit auch gewisse Gefahren. Nämlich dass wir gründlich auf dem Allerwertesten landen. In Gameplay-technischer Hinsicht natürlich. Während man in anderen Rollenspielen behutsam und mit Knie- und Ellbogen-Schonern in neue Gebiete eingeführt wird, ist in Divinity: Original Sin alles von Beginn an zugänglich. Nur verrät uns leider niemand, ob das offene Nordtor eine Warnung oder eine Einladung darstellt. Das hängt ganz allein von unserer Stufe ab. Das Spiel baut jedoch sogar auf den Effekt des Ausprobierens.

Eines kann man klipp und klar sagen. Divinity ist kein Spiel für Zwischendurch. Allein im Itemmenü, welches nebenbei bemerkt arg fummelig ausfällt, kann man locker eine halbe Stunde damit verbringen, seine Items und Zauber zu sortieren. Divinity ist ein Spiel der Gemächlichkeit. Das etwas träge Spieltempo zieht sich durch die gesamten Spielstunden, die schnell auf 60 anwachsen. Gerade das mäßige Lauftempo kann in den ersten Spielstunden sehr ermüdend wirken, da die Laufwege in der ersten Stadt doch recht groß sind und man viel Zeit damit verbringt, mit NPCs zu reden.

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Anspruchsvolle Kämpfe

In den Kämpfen hingegen gewinnt das Gameplay ein wenig an Fahrt. Das Kampfsystem ist rundenbasiert. Jede Figur auf dem Kampffeld besitzt 10 Aktionspunkte und ist nacheinander am Zug. Klingt zwar nicht gerade actionreich, wenn jedoch ein Feuerball auf ein Pulverfass trifft und das komplette Kampfgebiet optisch und physisch verändert wird, beeindruckt das schon auf eine gewisse Weise. Ein Action-orientiertes Kampfsystem oder gar Button-Smashing gibt es in Divinity jedoch nicht. Die Larian Studios überzeugen mit wirkungsvollen, physikbasierten Effekten. Ein Beispiel? Eine Gruppe von lahmen Zombies steht in einer großen Pfütze. Einen Blitzzauber später ist die gesamte Gruppe vorgeschädigt und handlungsunfähig. Auf diese Art lässt uns das Spiel fast zu jeder Zeit mit unserer Umwelt agieren.

Wir sind auf Grund eines Feuerzaubers des Gegner verbrannt und bekommen Schaden über Zeit? Kein Problem, ein Regenzauber über unseren Köpfen hilft zuverlässig. Doch Vorsicht, wer sich nicht genau mit den ihm zur Verfügung stehenden Zaubern und Skills auseinander setzt, gibt schneller den Löffel ab, als er „Schneemann“ sagen kann. Warum Schneemann? Weil wir selbst gegen sprechende Schneemänner kämpfen. Dazu aber später mehr.

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Ähnlich wie die Dark Souls-Reihe, belohnt uns Divinity mit einer überschwinglichen Freude über den endlichen besiegten Bossgegner. Nur um 10 Minuten später in eine Höhle zu laufen, für die wir zu schwach sind und um dort ordentlich den Hintern versohlt zu bekommen. Selbst der einfachste der drei Schwierigkeitsgerade ist später recht knackig. Etwas erfahrenen Rollenspielern ist der mittlere Schwierigkeitsgrad empfohlen, da hier doch eindeutig mehr Spannung in den Kämpfen aufkommt. Für zu harte Kämpfe kann man den Schwierigkeitsgrad jederzeit anpassen. Sehr angenehm. Bei allen Schwierigkeiten und harten Kämpfen muss jedoch auch gesagt werden, dass Divinity eines mit Gewissheit nicht ist: unfair. Wie schon erwähnt, wird es einfach vorausgesetzt, dass der Spieler des Lesens und Verstehens mächtig ist.

Aus eins mach zwei

Wer lieber in Gesellschaft die atmoshärische Spielwelt durchstreifen  möchte, kann das auch tun. Für Koop-Freunde ist es möglich, das Abenteuer zu zweit, entweder online oder per LAN, durchzuspielen. Bereits begonnene Partien können ebenfalls kinderleicht für andere Spieler geöffnet werden. Hier kann auch entschieden werden, ob lediglich Freunde Zugang zu eurer Partie haben soll, oder die Sitzung für jedermann offen ist. Am meisten Spaß macht das Ganze dann mit einem festen Spielpartner.

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Technisch stimmungsvoll, jedoch maue Inszenierung

In punkto Gestaltung der Spielwelt kann Divinity: Original Sin überzeugen. Liebevoll gestaltete Umgebungen und ein reges Treiben in den Städten beleben Divinity. Die Texturen der Charaktere könnten ein wenig mehr Details vertragen. Gerade Gegner sind im Vergleich zu unseren eigenen Helden bei näherer Betrachtung doch arg kantig und unschön. Im Jahre 2014 wäre zwar grafisch etwas besseres möglich, jedoch ist die Präsentation in jedem Fall stimmig und in sich passend. Das liegt nicht zuletzt auch am famosen Soundtrack. Die Meldodien, mit denen wir beschallt werden, sind wahnsinnig schön und lassen uns sofort in die Spielwelt eintauchen. Hier geht es eigentlich kaum besser. Auch die Sounduntermalung in Kämpfen ist hervorragend gelungen. Krachende Feuerzauber, zuckende Blitze und monsunartige Regenfälle sind visuell und akustisch realistisch untermalt.

Leider hilft das jedoch nicht, uns weiter in die Geschichte zu ziehen. Wir konnten uns so gut wie nie in die Spielgeschichte hinein versetzen. Das liegt nicht zuletzt an den unvertonten Dialogen mit anderen Charakteren. Devinity ist sehr leseintensiv was hin und wieder dazu führt, dass wir einige Gespräche einfach durchklickten und uns die eh schon spärlichen Informationen zu Quests aus dem Questlog zogen. Passiert das zu oft, ist das sehr schade, da die einzelnen Gespräche mitunter sehr gut geschrieben sind und dadurch ein wenig mehr Atmosphäre aufkommen könnte. Immerhin ist das eine konsequente Design-Entscheidung und passt genau zum Old-School RPG.

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Divinity: Original Sin
Publisher: Larian Studios Releasetermin: 30. Juni 2014 Preis: 39,99 Eur Plattform: PC
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten kann Divinity: Original Sin komplett überzeugen. Gerade weil man RPGs solcher Art in der heutigen Zeit an einer Hand abzählen kann. Auch wenn oftmals die Frage im Raum steht, was für eine Quest als nächstes gemacht werden muss, sollte die Antwort immer lauten: Alles was du willst. Das Spiel lässt einem alle Freiheiten und kaut einem nichts vor. Die Larian Studios haben es vollbracht, eine märchenhafte Welt komplett lebendig erscheinen zu lassen, in der einem als Spieler nahezu keine Grenzen gesetzt werden. Trotz kleinerer Schwächen ist Divinity: Original Sin nicht nur für Fans von RPGs alter Schule eine klare Kaufempfehlung. 80
Story: 7/10 Atmosphäre: 9/10 Grafik: 8/10
Gameplay: 7/10 Sound: 10/10 Steuerung: 7/10
  • komplett freie Spielwelt
  • großartiger Soundtrack
  • fordernd, aber nie unfair
  • mindestens 50 Stunden Spielzeit
  • mitgelieferter Editor
  • komplexes, aber intuitives Kampfsystem
  • skurriler Humor
  • kaum vertonte Gespräche
  • schwache Inszenierung
  • Inventar sehr unübersichtlich
  • Haupthandlung verläuft schleppend
  • gelegentlich Trial & Error

Redaktion escene.de

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