Gastbeitrag von Timo Schöber
Wie GamesWirtschaft vor knapp zwei Wochen berichtet hat, konnten die Prognosen der Unternehmensberatung Deloitte nicht der Realität standhalten. Prognostiziert waren E-Sports Umsätze in Deutschland von rund 90 Millionen Euro für das Jahr 2018, in Wirklichkeit erreichte man aber nur 70 Millionen Euro. Das sind gut 22 Prozent weniger als erwartet. Auch der Grund für die klaffende Lücke wurde schnell ausgemacht: Konsumenten von E-Sports Inhalten sind nicht bereit für bestimmte Dienste Geld zu bezahlen (vgl. „Let’s Play“-Studie, Seite 8).
Unzulängliche Prämissen
Bei der Beratung von Unternehmen predige ich seit Langem, dass E-Sports in seinem ökonomischen System anders funktioniert, als jene Mechanismen anderer Sportarten. Die Erwartungshaltung vor allem E-Sports-fremder Markteilnehmer war, dass E-Sportler im Grunde genauso „ticken“ wie die Konsumenten von Fußball, Handball oder Tennis.
Infolgedessen haben diese Unternehmen, Organisationen und Personen, trotz vielfacher Appelle von Szeneexperten, auf Geschäftsmodelle gesetzt, die teilweise antiquiert und vor allem im Hinblick auf den elektronischen Sport vollkommen obsolet sind.
Ich persönlich habe dabei oft erlebt, dass Unternehmen gesagt haben, dass die überwiegend jungen E-Sports Fans auch bereit sind, für zum Beispiel Netflix Geld auszugeben. Das ist richtig, allerdings vergleicht man hier Äpfel mit Birnen. Netflix bietet Inhalte, die anderswo, so denn sie legal geschaut werden, ebenfalls Geld kosten. Gleichzeitig produziert Netflix eigene Filme, Serien und Reportagen, die dann exklusiv beim Streaming-Dienst laufen. Unternehmen wiederum, die etwa Wettbewerbe im E-Sports veranstalten, können auf keines dieser beiden Standbeine setzen. Zum einen wollen sie etwas verkaufen, dass E-Sports Zuschauer woanders auch kostenlos sehen können, nämlich Übertragungen von Spielen, zum anderen verfügen sie nicht über irgendeine Form von Exklusivität, weil es je nach Genre und Disziplin im E-Sports hunderte Wettbewerbe gibt, die sich jemand anschauen kann. Wird Wettbewerb A nur im Pay-TV angeboten, dann schaut man halt Wettbewerb B.
Starke Produkte mit einer umfassenden Exklusivität, etwa die Fußball Bundesliga, die Champions League oder Wimbledon im Tennis, gibt es im E-Sports nicht. Selbst Majorturniere würden ihren Reiz für die breite Basis der E-Sportler verlieren, wenn sie nur im Pay-TV zu sehen wären. Man kann sich dann einfach andere Turniere, Ligen oder Spiele auf hohem spielerischen Niveau ansehen – und das kostenlos.
Man hatte also an verschiedenen Stellen falsche Grundhaltungen. E-Sportler sind nämlich nicht bereit für das Anschauen von Content Geld zu bezahlen, der keine hohe Exklusivität aufweisen kann und den sie woanders auf legalem Wege auch kostenlos konsumieren können.
Das große Scheitern
Trotz der Deutlichkeit, mit der sich das Scheitern von Unternehmen im E-Sports abgezeichnet hat, die auf veraltete Geschäftsmodelle setzen, haben viele an ihren Ideen festgehalten. Ganz nach dem Motto: Was im klassischen Sport funktioniert, das muss auch im E-Sports klappen.
Als Ergebnis dieses Handelns haben wir in der Vergangenheit viele Produkte, Unternehmen und Submärkte im E-Sports kommen und schnell wieder gehen sehen. Das gilt einerseits direkt für zum Beispiel Pay-TV Sender oder entsprechende Streaming-Dienste, zum anderen aber auch für Ligen und Turniere, die meinten, dass sie im E-Sports mit der Stärke und Exklusivität einer Fußball-Bundesliga unterwegs wären.
Während kostenlose Kanäle auf Twitch mit optionalen Premium Inhalten quasi explodiert sind und durch Werbung massive Einnahmen generieren konnten, dümpelten viele Pay-to-Inhalte so vor sich hin.
Quo Vadis, Business Model?
Videospiele, die Micro Transactions anbieten, zeigen, dass E-Sportler durchaus bereit sind auch in ein kostenloses Produkt Geld zu investieren. Wichtig sind dabei vor allem vier Aspekte:
- Das Grundprodukt muss kostenlos sein.
- Das Ausgeben von Geld ist optional.
- Durch das Ausgeben von Geld muss für die zahlenden Kunden ein Mehrwert geschaffen werden.
- Dieser Mehrwert darf die anderen Nutzer nicht „unfair“ benachteiligen.
Der Mehrwert muss also einen gewissen „Stellungswert“ bringen, damit die zahlenden Zuschauer einen Nutzen davon haben (vgl. beispielsweise Keeping up with the Joneses), aber er darf die „normalen“ Zuschauer nicht negativ in ihrem Nutzungsverhalten beeinflussen. Es müssen also Anreize zum Kauf von optionalen Inhalten generiert werden, ohne dass die nicht zahlenden Zuschauer abspringen.
Vor allem Videospiele zeigen diese Trendwende, denn das sogenannte Free-2-Play-Geschäftsmodell erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit. Das Grundspiel ist kostenlos, aber bestimmte Zusatzinhalte (Skins, Sprachpakete, etc.) können hinzugekauft werden.
Ähnlich funktionieren bereits einige Geschäftsmodelle beim E-Sports, wenn es um das Zuschauen bei Wettbewerben via Stream geht. Es ist zu erwarten, dass diese Art der Monetarisierung zukünftig deutlich intensiviert wird. Denn die „Kostenlos-Mentalität“ des Internets und der E-Sportler werden auch große Unternehmen nicht verändern, solange sie keine exklusiven Produkte anbieten, die Content vorweisen, der nirgendwo anders kostenlos zur Verfügung steht.
Fazit
Die Sturheit vieler Unternehmen und Organisationen hat zur Folge, dass der E-Sports in Deutschland langsamer gewachsen ist, als er hätte wachsen können. Die einzigen Unternehmen, die wirklich auf Pay-TV setzen könnten, wären die Publisher von Spielen, wenn sie anderen Veranstaltern verbieten Wettbewerbe in ihren Spielen auszutragen. Aber auch hier bleibt zu vermuten, dass die Szene dieses Verhalten durch eine Blockade eben dieser Spiele abstrafen würde.
Es bleibt zu hoffen, dass vor allem im E-Sports unerfahrene Marktteilnehmer aufhören, dem E-Sports reine Geschäftsmodelle des klassischen Sports überstülpen zu wollen, denn das komplette Ecosystem des E-Sports funktioniert an vielen Stellen ganz anders als die bekannten Geschäftsmodelle und -muster.
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